Das Lächeln des „Obertukans“
Der Tukan-Kreis erinnert an Dr. Hans Dieter Beck

Vierzig Jahre lang, von 1984 bis 2025, stand Hans Dieter Beck diesem ein wenig altmodischen, in vielem einzigartigen Verein vor, führte ihn durch Jahre des Wandels, der veränderten Lesegewohnheiten, unbeirrt von Moden und Marotten: ein Verleger und Jurist, der sich für die „fremden“ Bücher der sogenannten Schönen Literatur interessierte, die Bücher der „Anderen“, angetrieben von der Neugierde auf Neues, Unerhörtes, auf bewegende Lebensgeschichten der Arrivierten ebenso wie auf die ersten Versuche nachrückender Autorengenerationen, und dabei einem liberalen, konservativen Wertekanon verpflichtet:
Gutes bewahrend, das Schlechte nicht bemäntelnd, aus der Geschichte lernend, die Zukunft ins Auge fassend, den Humor ernst nehmend, die Kultur als für unsere Gesellschaft lebensnotwendiges Elixier nachhaltig fördernd, anstiftend, oft genug im Stillen. Bereicherung suchend.
Hans Dieter Beck übernahm das väterliche Verlagsgeschäft im Jahr 1971, dem Todesjahr des Tukan-Gründers Rudolf Schmitt-Sulzthal. In 41 Jahren hatte der diese kleine literarische Gesellschaft zu einer Schwabinger Institution gemacht; sein Erbe trat seine Witwe Erica Schmitt-Sulzthal an, dies wiederum bis 1984, als Hans Dieter Beck, der Chef des inzwischen größten juristischen Verlagshauses in Deutschland (und auch ein Schwabinger), sich bereit erklärte, dieses „Amt“, eine Mission, zu übernehmen, wohl wissend, dass von ihm nicht nur repräsentative Aufgaben erwartet wurden, sondern nichts weniger als eine Art Überlebensgarantie. Vier Jahrzehnte lang war Hans Dieter Beck gewissermaßen Seele und Schirmherr sowie Förderer in eigener (Tukan-)Sache, denn schwindende Zuschüsse anderer bayerischer Kulturinstitutionen machten seine Zuwendungen immer wichtiger.
Bei allem tüchtigen Geschäftssinn, der sein Tun als Verleger prägte – dem Tukan-Kreis ermöglichte er (wenngleich auch manchmal etwas zähneknischend) kontinuierliche künstlerische Freiheit. Eingeladen wurde, was für qualitativ gut befunden wurde – egal ob der Saal rappelvoll oder halbleer war. Hans Dieter Beck ging es um die Sache. Nur hin und wieder ermahnte er sein Beratergremium, doch nach „Tigern“ Ausschau zu halten, die für einen vollen Saal und gute Einnahmen sorgten. Ganz im Sinne des mischkalkulativen Verlegerdenkens.
Hans Dieter Beck war ein wahrer Freund der Literatur, weil sie einen Platz in seinem Herzen hatte – unbeirrt und mit dem ihm in jeglicher Hinsicht eigenen Pflichtbewusstsein. Er interessierte sich für jeden einzelnen Autor, jede Autorin, die wir für eine Lesung in der Seidlvilla gewinnen konnten, las die Bücher, lud die Autoren zu sich ein, bildete sich eine Meinung, seine Meinung. Sprach einführende Worte, die keine waren, sondern subtil gewürzte Lektüreberichte – bisweilen mit Kritik gepfeffert im Zeichen des Tukans, dem Wappentier. War entwaffnend ehrlich, wenn ihm einmal etwas nicht so gefiel, schuf immer eine Atmosphäre ansteckender Neugier. Genoss es lächelnd, wenn ihm das bei seinem aufmerksamen und treuen Publikum gelang.
Ein Winternachmittag im Jahr 2024, kurz vor Weihnachten. Das Tukan-Beratergremium, rund 10 Personen, hatte sich zur Planungskonferenz der nächsten Monate versammelt, wie immer bei Kaffee und dem vom „Chef“ so geliebten Kuchen, wie immer im großen Besprechungszimmer, dem Verlegerbüro unmittelbar benachbart. Und wie (fast) immer öffnete sich nach einer kurzen Weile die Verbindungstür, und ein lächelnder Obertukan begrüßte reihum seine Beraterinnen und Berater, fand für jeden ein persönliches Wort, bevor er sich – lächelnd! – selbst ein Stück Torte genehmigte.
In diesem Augenblick schien er mit sich, dem Tukan-Kreis und dem Kuchen zufrieden zu sein. Aber schon wenig später erhob sich Hans Dieter Beck wieder, bat – lächelnd – um Verständnis, dringende Verlagsgeschäfte machten leider seine Anwesenheit erforderlich, er wünsche allen eine gute Zeit, drehte sich um und verschwand – lächelnd? – in seinem Büro.
Dieter Heß